Ich war wieder mit dem Liegewagen nach Innsbruck gefahren. Dies ist wirklich eine angenehme Art diese langen Strecken zu bewältigen. Ich kam daher am Samstagmorgen kurz nach sieben Uhr an und suchte dann die Privatbahn nach Fulpmes im Stubaital. Nach einiger Zeit stellte ich voller Überraschung fest, daß es sich dabei um eine Straßenbahn handelte. Der Fahrer wies mich allerdings drauf hin, daß dies keine Straßenbahn, sondern ein Triebwagen ist!
Die Fahrt nach Fulpmes gestaltete sich dann bei bedecktem Himmel und niedrigen Wolken trotzdem sehr eindrucksvoll. Zunächst ging es bergan durch Natters und Mutters und weiter über atemberaubende Brücken in Richtung Stubaital. Dabei gab es tolle Ausblicke zunächst über das Inntal, später über das Wipptal und schließlich über den Anfang des Stubaitales. Diese Fahrt kann ich nur jedem empfehlen; zudem ist sie mit 45 ATS recht preiswert.
In Fulpmes angekommen fuhr ich nach kurzem Aufenthalt mit dem Bus weiter in das Tal hinein. Ich verließ de Bus kurz hinter Ranalt bei einem Wegweiser zur Nürnberger Hütte. Der Rucksack wurde wieder geschultert und ab ging es, bergauf durch den Wald. Bald erreichte ich die Bsuechalm. Ohne Rast ging ich jedoch weiter den südwestlichen Hang hinauf erst noch über Matten, bald aber fast nur noch über mit Felsen durchsetzte Matten. In der Nähe eines Seilbahnpfeilers der Materialseilbahn der Nürnberger Hütte konnte man die Hütte sehen. Von hier aus war es dann nur noch ein Katzensprung zur .
Nachdem ich mich mit einem Radler und einer Tagessuppe gestärkt hatte, ging setzte ich mich noch etwas oberhalb der Hütte nahe dem Weg zum Niederl hin und genoß die Aussicht auf die gegenüberliegender Bergriesen, vor allem auf den Wetterspitz, den Feuerstein und den Aperer Feuerstein. Dabei mußte ich meine Müsliriegel gegen völlig hemmungslose Schafe heftig. verteidigen. Von meiner Position aus konnte ich auch ein gutes Stück des Weges zur verfolgen.
Der Sonntagmorgen begann bei besserem Wetter als der Samstagmorgen. Mein Weg führte mich westlich über die mit Felsen durchsetzte Matten zu einer Weggabelung. Geradeaus ging es weiter in Richtung des Niederl. Ich entschloß mich jedoch in Richtung Norden Weiter zu gehen, um den Übergang über den Maierspitz zu machen. Bergan entlang der östlichen Bergflanke führte der Weg zum Grat. Auf diesem dann in Richtung Westen ein gutes Stück über Schrofen teilweise in leichter Kletterei (I) und einigen Seilen steil bergan. Vom Sattel (2.742 m) aus ging es noch etwas (10 Min.) bergan nach Norden, bis ich den Maierspitz (2.775 m) erreicht hatte. Der Ausblick im Rund war beeindruckend. Er reichte fast 360° weit. Besonders die gegenüber liegenden Eisriesen Feuerspitz und Wilden Freiger mit ihren Gletschern waren sehr imposant.
Nach einer Brotzeitpause stieg ich dann nach zunächst wieder nach Süden in die Scharte, von dort aus steil, teilweise seilgesichert, nach Westen hinab ins Schafgrübel. Nun folgte ein flacherer Abstieg über die Karren auf den wunderschönen Grünausee zu. Dort führte der Weg entlang des Gletscherbaches. Nach einem kleinen Gegenanstieg über eine Endmoräne erreichte ich schließlich die .
Da der Tag noch jung war, genoß ich nur ein kurzes Mittagessen, ließ meinen Rucksack in der Hütte und stieg dann noch bei bestem Wetter nach Westen hinauf zum Trögler. Auf einem flachen Gratstück machte ich eine lange Pause und genoß der Blick ins Rund der Bergriesen. Im Osten der Maierspitz mit dem Paß, den ich überschritten hatte, im Süden die Stubaier Eisriesen Wilder Freiger, Wilder Pfaff und Zuckerhütl mit ihren Gletschern, im Norden die Ruderhofspitze und einen Teil des Stubaier Höhenweges entlang ihrer Flanken.
Nach gut zwei Stunden stieg ich wieder ab, um die anderen Teilnehmer des Gletscherkurses und die Bergführer kennenzulernen. Der eine Bergführer hieß Teja, der andere Hans. Unsere Gruppe war 14 Personen stark. Wir belegten die Zimmer (4-Bett) und trafen uns zum Abendessen, wo wir uns ein bißchen näher bekannt machten. Nach dem Abendessen erfolgte dann eine Runde, in der sich jeder vorstellte und seine Bergerfahrungen darstellte.
Die Tage waren nun gefüllt mit all der Ausbildung, die erforderlich ist, um sich in den Bergen und besonders auf den Gletschern sicher bewegen zu können. Dies beinhaltete auch einige Stunden Theorie z.B. über Gletscher und Tourenplanung.
Am Montagmorgen erhielten wir zunächst unsere Leihausrüstung und teilten uns in zwei Gruppen auf. Ich gehörte von nun an zur Gruppe, die von Hans geführt wurde. Der Vormittag begann dann mit so selbstverständlichen Dingen wie dem richtigen Gehen in den Bergen und auf Schneefeldern sowie dem kontrolliertem Abrutschen darauf. Etwas Überwindung kostete es zunächst schon sich Kopf voran ein 40° steiles Schneefeld hinabzustürzen, und sich dann zu drehen und dann mit oder ohne Eispickel zum stehen zu kommen. Aber dann machte dies doch sehr viel Spaß. Weiter ging es Nachmittags im Klettergarten, wo wir zunächst das Anlegen des Brust- und Hüftgurtes und verschiedene Knoten lernten. Dann lernten die, die es noch nicht konnten, kletterten in leichtem Fels (bis IV).
Der Dienstag war durch den ersten Besuch des Sulzenau-Gletscher gekennzeichnet. Wir stiegen auf der Seitenmoräne hinauf in die niedrige Wolkendecke hinein und begannen zunächst auf dem Gletschertisch "spazieren zu gehen". Nach einiger Zeit begaben wir uns in etwas steileres Gelände, nicht ohne vorher unsere Steigeisen anzulegen. Wir gewöhnten uns schnell an das zunächst völlig ungewohnte Gehgefühl.
Wir lernten die auch die verschiedenen Möglichkeiten mit den Steigeisen zu gehen. Schließlich machte uns das gehen mit den Steigeisen viel Spaß. Wir ließen uns auch nicht von dem schlechten Wetter mit leichtem Schneefall verdrießen. Besonders die Frontalzacktechnik wollte anfangs gar nicht gelingen. Es gab immer wieder spektakuläre, aber ungefährlichen weil kurze Abstürze. Schließlich klappte es jedoch immer besser, so daß wir (nicht im Ernst) beschlossen uns demnächst einen Wasserfall zum klettern zu suchen. Abends gab es dann wieder ein gutes Essen auf der Hütte.
Am Mittwoch stiegen wir bei strahlendem Sonnenschein erneut hinauf zum Gletschertisch und übten dort das Klettern am Gletscher. Lehrinhalte waren vor allem der Einsatz des Eispickels, der Standplatzbau, die verschiedenen Sicherungsarten und Seilkommandos. Auch die Frontalzacktechnik und das gehen auf dem Gletscher wurde noch einmal vertieft. Wir lernten einen "Toten Mann" zu graben und abrutschende Kammeraden damit abzufangen. Schließlich seilten wir uns noch am Klettergarten mit Hilfe eines Abseilachters oder HMS-Karabiners ab.
Nach dem Abendessen bereiteten wir uns auf die Hochtour der nächsten zwei Tage vor. Die Ausrüstung wurde verpackt und die Tour mit den Bergführern besprochen. Wir beschlossen den Lübecker Weg über die Fernerstube und dann den Nordwest- und Westgrat des Wilden Freigers hinauf zum Gipfel zu steigen. Alle hofften auf ein sternklare, kalte Nacht, damit der Gletscher am nächsten Morgen hart und damit gut zu gehen war.
Der Wettergott hatte unsere Gebete erhört. Nachts war es sternklar und kalt gewesen. Wir gingen um Sechs Uhr morgens los, nach Südwesten vorbei an der "Blauen Lacke" hinauf zum Gletscher. Dort legten wir unsere Gurte an und banden uns in das Seil ein.
Nun begannen beide Gruppen als insgesamt vier Seilschaften den Aufstieg nach Süden über die mit überwiegend 10° recht flache und hinsichtlich zu erwartender Spalten recht unkritische Fernerstube. Die Aussicht zurück über den Gletscher hin zur Ruderhofspitze war überwältigend. Langsam kamen auch die Gipfel über dem Stubaier Gletscherskigebiet heraus. In einer Höhe von ca. 3.000 m bog unsere Gruppe (zwei Seilschaften) nach Osten ab und erreichten bald die Scharte, die die Fernerstube vom Wilden Freiger Ferner trennt. Die andere Gruppe ging direkt über das Pfaffennieder zur .
Während unserer Pause kamen dann doch noch die anderen beiden Seilschaften über den Übeltalferner hinauf zum Gipfel. Eine halbe Stunde nach unserer Ankunft marschierten wir hinüber zum Signalgipfel und von dort aus hinab auf den Übeltalferner. Inzwischen waren wir in den Wolken und hatten kaum noch Sicht, ca. 50 bis 100 m.
Wir ermittelten eine Marschzahl und die hintere Seilschaft wies die vordere immer wieder neu ein. So erreichten wir dann aus den Wolken kommend die Müller-Hütte.
Nach einer kleinen Stärkung und Belegung der Zimmer gingen wir noch einmal los, um die Spaltenbergung zu lernen. Hans hatte sich für uns ein besonderes Schmalkerl ausgesucht, einen ca. 50 m hohen Kolk in der Nähe des Pfaffennieders. Nachdem wir den Vorgang der Spaltenbergung durchgesprochen und "trocken" geübt hatten ging es los. Dieter erwies sich als besonders mutig und stürzte sich in den Kolk hinab. Ich war an zweiter Stelle und ließ mich sofort mit den Füßen voran fallen um Dieter zu bremsen. Reiner hinter mir tat dies ebenfalls. nach wenigen Metern kamen wir zum stehen und konnten mit der komplizierten Prozedur der Spaltenbergung beginnen.
Es wird nun niemanden wundern, daß Dieter nach einiger Zeit unbeschadet, nur etwas abgekühlt gerettet wurde. Wir übten die Bergung noch etwas und gingen dann im beginnenden Schneefall zurück zur Müller-Hütte, wo uns ein exzellentes Abendessen erwartete. Dies war das beste Abendessen, das ich je auf einer Alpenhütte bekommen habe. Zu Abend hin verstärkte sich der Schneefall noch etwas.
Der Tag begann schön es hatte zwar nachts geschneit und war nun kalt, aber das Wetter hatte aufgeklart. Wir gingen los zunächst auf das Pfaffenniederl zu, dann über den Übeltalferner in Richtung des Westgrates des Wilden Pfaffs, vorbei an der anderen Gruppe, die nun die Spaltenbergung übte. Bei ca. 3.200 m verließen wir den Ferner und stiegen in leichter Blockkletterei (überwiegend bis II. Grad, in der Nähe des Gipfels eine kurze IIIer Stelle) hinauf zum Gipfel des Wilden Pfaffs (3.458 m, 2 Std.). Wir genossen den Blick zurück über den Weg des Vortages und hinüber zum Wilden Freiger sowie zum Übeltalferner mit der Müller-Hütte und dem Becherhaus.
Vor uns lag das Zuckerhütl, das wir noch ersteigen wollten. Zunächst jedoch mußten wir dazu erst wieder 120 Hm nach Westen zum Pfaffensattel absteigen. Dann begann der Aufstieg weiter nach Westen zum Zuckerhütl. Der Weg verlief immer mehr ansteigend über den Gletscher. Im Gipfelbereich dann sehr steil über einige Felsen. Schließlich standen wir bei leichter Bewölkung auf dem mit 3.505 Metern höchsten Gipfel der Stubaier Alpen (1 ½ Std. vom Wilden Pfaff). Der Blick von hier aus war grandios, nur im Süden durch Wolken verdeckt. Leider fiel mir dort oben meine Kamera so unglücklich auf den Fels, daß die Verriegelung der Rückplatte abbrach und ein große Teil des Films unbrauchbar wurde.
Nach einer halben Stunde stiegen wir wieder ab. Zunächst nach Osten in Richtung Pfaffensattel, davor aber bogen wir nach Westen ab und querten den Sulzenauferner im oberen flachen Bereich nördlich unterhalb des Gipfels hinüber in Richtung Aperer Pfaff. Davor schwenkten wir nach Norden und stiegen teilweise im Zickzack die Spalten umgehend, manche querend immer am Westlichen Rand des Gletschers hinab zum Gletschertisch. Auch diesen querten wir und verließen den Gletscher über die Zunge und das sich anschließende von Gletscherbächen durchzogene Geröllfeld. Zuletzt ging es dann wieder entlang des normalen Wanderweges { 102 } hinab zur Hütte. So endeten zwei wunderbare Tage Hochtour.
Da sich das Wetter enorm gebessert hatte, beschloß ich noch nicht nach Hause zu fahren, sondern den Stubaier Höhenweg noch weiter zu gehen. Wir verabschiedeten uns voneinander und die anderen stiegen ins Stubaital ab, um nach hause zu fahren. Ich stieg auf dem Wanderweg { 102 } unterhalb der Südwände des Tröglers hinauf zum Beiljoch (2.676 m). Dort genoß ich noch einmal einen wunderbaren Blick auf Freiger, Pfaff und Zuckerhütl mit ihren Gletschern. Hier oben auf dem Joch standen außerdem sicher über hundert Steinmänner. Ein eindrucksvolles Bild.
Weiter ging es erst über den flachen Paß, dann über Felsplatten hinab schließlich steil über die Flanken des Tröglers an Ende flacher werdend hinüber zur . Sie ist eine überraschend gemütliche Hütte. Überraschend deshalb, da sie unmittelbar neben der Mittelstation des Gletscherskigebietes liegt. Hier erwartet man eigentlich ein gesichtsloses Schnellrestaurant. Besonders sehenswert war die kleine Ausstellung der Geschichte des Sächsischen Bergsteigens.
Die Gegend um die Hütte allerdings ist im Sommer grausig. Ein geschundenes Stück Natur und Paradebeispiel dafür was ein Skigebiet aus einer Berglandschaft macht. Ein Lift neben dem anderen und große Flächen als Wege oder Piste planiert. Mich hielt hier nichts und nach einem späten Frühstück machte ich mich auf den Weg in Richtung Neue Regensburger Hütte. Zunächst stieg ich einen breiten Fahrweg, bald aber über einen Bergweg steil hinauf zum Egesennieder (2.506 m).
Weiter hinab durch die "Wilde Gruaba" und wieder konstant ansteigend ging es auf dem Stubaier Höhenweg. Da ich noch früh dran war, unternahm ich noch einen Abstecher zum malerischen Mutterberger See (1 ¼ Std. von der Dresdner Hütte.). Dort machte ich Brotzeit und genoß den Blick auf den See und die Aussicht auf die im Süden liegenden Felsriesen. nach einem kurzen Abstieg ging es auf dem Höhen weg weiter peu á peu ansteigend, hin und wieder etwas absteigend zum Grawaggruabennieder (2.880 m, 4 Std. von der Dresdner Hütte.), dem höchsten Punkt des Stubaier Höhenweges (Normalweg). Zum letzten Mal genoß ich bei einer kleinen Pause den Blick auf die Bergriesen des Stubai.
Auf der Nordseite des Nieders stieg ich steil hinab und fuhr dann über das Schneefeld ab. Ich stieg weiter über Geröllfelder, Gletscherschliff und mehrere Endmoränen hinab zu einem eindrucksvollen Sumpfgebiet südwestlich der Neuen Regensburger Hütte. An dessen nördlichen Rand entlang gehend erreichte ich bald die . Sie liegt wunderbar, wenn man den Weg so wie ich geht, vor dem auf der andern Seite des Stubaitales imposant aufragenden Habicht (3.277 m). Die Hütte ist sehr schön und hat auch ein bißchen Hüttenambiente, vor allem aber eine kostenlose! heiße Dusche und einen ausreichen großen, gut gewärmten Trockenraum.
Es wurde wieder ein wunderbarer Tag, beinahe wolkenlos! Mein weg führte mich früh von der Neuen Regensburger Hütte nach Nordwesten auf dem Wanderweg { 133 } fast eben hinüber zum Abzweig zur Franz Senn Hütte. Auf diesem Weg genoß ich noch einmal den Blick hinüber zum Habicht. Nun stieg ich mal steiler mal flacher hinauf zum Schrimmernieder (2.706 m).
War die Südseite vor allem durch Matten und wenig Geröll gekennzeichnet, so gibt es auf der Südseite nur Geröll. Man geht zunächst in einem weite flachen Bogen fast eben nach Nordwesten, um dann steiler nach Nordosten abzusteigen. schließlich führt der Weg { 133 } auf beinahe ebenem Pfad nach Osten um eine Bergschulter herum zur .
Die Hütte war ausgesprochen gut besucht, kein Wunder am Sonntag und bei dem Wetter. Zwei Schiwasser später war ich unterwegs um nach Hause zu fahren. Der Weg führte hinab über Wiesen und entlang eines Hanges hinab zur Oberrissalm. Von dort aus wollte ich eigentlich per Bus nach Fulpmes oder wenigstens nach Neustift fahren. Leider sollte der Bus erst in zweieinhalb Stunden abfahren, daher beschloß ich schließlich zu Fuß abzusteigen.
Schon nach kurzer Zeit konnte ich ein Auto stoppen und eine freundliche junge Frau nahm mich mit nach Neustift. Leider war dort der Bus nach Fulpmes gerade weg und ich beschloß wieder zu Fuß weiter zu gehen. Erneut nahm mich nach kurzer Wartezeit eine nette Dame, diesmal bis nach Fulpmes mit. Bei diesem schönen Wetter nahm ich ungern Abschied von den Stubaiern, aber es war unumgänglich, am Dienstag mußte ich leider wieder arbeiten. Bald war ich im "Triebwagen" nach Innsbruck. Dort nahm ich einen Zug über Mittenwald nach München und ließ den Tag bei wolkenlos blauem Himmel mit den schönen Blicken auf das Karwendel und den Wetterstein ausklingen. Eine unvergeßliche Tour.