Andreas Wienekes Bergtouren Seiten
Gebietsführer Walliser Alpen, Michael Waeber , Bergverlag Rother
Bruckmanns Tourenführer 4000er, Richard Goedeke, Bruckmann Verlag
Ursprünglich wollten gegen Mittag in St. Jacques zu sein, daher hieß es diesmal früh aufstehen. Morgens gegen 4 Uhr holten mich Willi, Udo und Rüdiger mit dem Wagen ab. Wir fuhren über Basel, Montreux und den St. Bernhard Pass ins Aosta Tal und erreichten St. Jacques am frühen Nachmittag. Michael und Markus waren zur gleichen Zeit wie wir von Wiesbaden gestartet und erwarteten uns schon im auf dem großen Parkplatz vor dem Ort.
 
Nach einer kurzen Beratung beschlossen wir zur Almsiedung Résy in der sich das Rifugio Ferraro befindet aufzusteigen. Da wir jedoch Zeit genug hatten wollten wir nicht den direkten Weg gehen, sondern einen kleinen Umweg nach N über eine Alm machen. In St. Jacques überquerten wir den Torrent de Veraz und stiegen nicht übermäßig steil durch den Wald aufwärts. Bald erreichten wir die weite Almfläche mit einigen Gebäuden drauf, von denen z.Zt. aber keins geöffnet hatte. Wir querten die Alm nach rechts (O) passierten den Bach wieder und stiegen durch den Wald weiter auf. Bald erreichten wir einen Forstweg und den ersten Hinweis auf die Almsiedung Résy sowie das Rifugio Ferraro. Wir folgten dem Weg etwas abwärts nach S, bis zu einem Abzweig. Nun ging's wieder steiler auf schmalem Pfad aufwärts, bis wir auf den direkten Weg von St. Jacques stießen, aus den Wald heraus traten und die letzten Hm bis zur Résy aufstiegen.
 
Das Dörfchen Résy ist eine uralte Walser Siedlung und besteht aus mehreren teils unmittelbar aneinander grenzenden Häusern, eins davon ist das Rifugio Ferraro (priv. 2066 m). Das Abendessen bestand, typisch italienisch, aus Primo Piatto, Secondo Piatto und Dessert (Käse und Obst nach Wahl) und schmeckte wirklich ausgezeichnet. Auch das Frühstück am nächsten Morgen war Klasse: Yoghurt, Müsli, Brot, Marmelade, warme und kalte Milch Kaffee etc. Die Hüttenwirte waren nett und fröhlich, lediglich die Doppelstock Betten waren etwas fragil. Trotzdem eine schöne Unterkunft.
 

 
Nun begann unsere Wandertour also erst richtig. Hinter den Häusern ging's etwas den Berg hinauf, bald aber schon wieder 100 Hm abwärts durch den Lärchen Wald hinab zum Torrent de Veraz. Einige Zeitlang gingen wir fast eben auf einer Forststraße auf die Alm Pian de Veraz zu und entlang dieser. An deren nördlichen Ende begannen die Endmoränen des Großen Veraz Gletschers. Dort verließen wir die Strasse, um etwas zum Lac Bleu aufzusteigen. Er liegt sehr malerisch unterhalb der fast senkrechten Wände des Mont de Veraz.
 
Nach einer kleinen Pause gingen wir weiter. Etwas weglos querten wir die Moränen und einen kleinen Bach über einen schmalen Holzsteg. Wir gingen weiter die den Moränenkamm entlang, mussten diesen aber bald verlassen, da einige größere Felsen den Weiterweg verhinderten. Also ging's wieder ein paar Hm runter zur Forststrasse und diese ca. 500m weit. In ca. 220 m Höhe zweigte der Weg zum Rifugio Mezzalama ab und es ging wieder steil die Seitenmoräne hinauf. Nun folgte der Weg meist steil entweder deren Kamm, oder hielt sich etwas unterhalb dessen. Nach einigen anstrengenden Höhenmetern hatten wir es endlich den größten Teil des Aufstieges des Tages geschafft und erreichten nach etwas mehr als vier Stunden das Rifugio Mezzalama (priv. 3036 m) wo wir erst mal eine ausgedehnte Pause machten. Auf dem Aufstiegsweg hatten uns immer wieder Läufer!! passiert, die vermutlich für die Trofeo Mezzalama trainierten, die am folgenden Wochenende ausgetragen wurde.
 
Dort oben war es schon recht kalt und sehr windig. Wir schauten vom Lee der Hütte aus auf die Eisriesen der Umgebung, vor allem aus Pollux, Castor und den Lyskamm. Nach gut einer Stunde nahmen wir die letzten 400 Hm des Tages in AngRifugio. Es ging über den Grat neben der Hütte aufwärts, vorbei am Heli Landeplatz auf einen kleinen Felsriegel zu, den wir in leichter Blockkletterei überwanden. Dahinter erreichten wir eine Zunge des Großen Veraz Gletschers. Obwohl es nicht nötig gewesen wäre, legten wir hier übungshalber die Gletscherausrüstung an und querten die Gletscherzunge, an deren nördlichen Ende es dann noch ein steiles Schneefeld empor ging. Um uns noch mal richtig zu fordern folgte nun der letzte Teil des Hüttenanstiegs, ein sehr steiles Stückchen über rutschigen Schotter und einige Blöcke. Wir waren froh, als wir das Rifugio Guide d'Ayas (priv. 3420 m) endlich erreicht hatten.
 
Die Hütte ist recht einfach, aber sehr schön aussichtreich gelegen und noch ziemlich frisch renoviert. Unsere Pläne, am Folgetag zwecks Akklimatisation das Breithorn zu besteigen, zurückzukehren und erst am übernächsten Tag zum Quintino Sella zu wechseln wurden leider durchkreuzt. Der Hüttenwirt konnte uns nur eine Nacht unterbringen, da am Folgetag bereits eine größere Gruppe von Oase Alpin erwartet wurde, schade. Das Abendessen und die Getränke bekamen wir leider nur auf Plastikgeschirr und -besteck. Vermutlich ist die Entsorgung dessen von dort oben einfacher, als eine Spülmaschine laufen zu lassen.
 
Der nächste Morgen war nicht allzu freundlich. An der Hütte herrschten -11°C und es ging ein starker, eisiger Wind. Wir legten auf dm Platz vor der Hütte gleich alle Ausrüstung einschließlich der Steigeisen an und banden uns ins Seil ein. Los ging's von der Hütte aus in leichtem Bogen wenig steil einen Bruch nordwestlich umgehend, dann aber teils steil ansteigend den Gletscher nach NO empor auf das Zwillingsjoch zu. Ich bemerkte dabei wieder die besondere Geräusche die der Schnee unter den Füßen und am Pickel macht, dies seltsame Knirschen und Quietschen, das nur sehr kalter Schnee macht.
 
Die Wolken über dem Castor wollten einfach nicht verschwinden und so tauchten wir schließlich in sie ein. Das brachte uns leider etwas nach N vom eigentlichen Aufstiegsweg ab. Wir stiegen sehr mühsam die sehr steile Flanke empor, teils über Fels, Bruchharsch, Firn oder Eis. Meine Füße begannen durch die Steigeisen unter den Schuhen schmerzhaft zu frieren und ich beschloss mir demnächst Thermo-Einlegesohlen für solche Unternehmungen mitzunehmen. Schließlich aber überwanden wir noch ein kurzes, ca. 60° steiles Stück Firn und hatten wir es erst einmal geschafft, wir standen auf dem nördlichen Vorgipfel (4200 m). Die Wolken rissen sogar für einen kurzen Moment auf, so dass wir den Hauptgipfel mit einer kleinen Seilschaft drauf sehen konnten.
 
Auf dem Vorgipfel machten wir erst einmal eine längere Pause, denn in der steilen Flanke hatten wir uns nur kurze Ruhepausen im stehen gönnen können. Danach folgte eine luftige Querung auf dem manchmal kaum handtuchbreiten Firngrat hinüber zum eigentlichen Gipfel, den wir nach insgesamt vier Stunden erreichten. Wegen der Wolken und des kalten Windes hielten wir uns dort jedoch nicht lange auf, sondern stiegen den Grat auf gut erkennbaren Steigspuren nach SO über mehrere Schultern und den Felekspitz hinab zum Felekjoch. Unmittelbar dort war der Abstieg auf den Castor Gletscher jedoch zu steil, weshalb wir noch etwas weiter gingen um dann an dem Grat östlich des Felekjochs steil auf den Gletscher hinab zusteigen. Dort wurde der Weg merklich flacher und führte im Bogen nach S auf das Rifugio Q. Sella zu. Bevor wir dies erreichten, umschlossen uns allerdings noch mal die Wolken, so dass wir die Hütte erst sehen konnten kurz bevor wir sie erreichten. Insgesamt waren wir sechs Stunden unterwegs gewesen.
 
Auch das Rifugio Quintino Sella al Felik (priv. 3585 m) war teils neu renoviert. Wir bekamen ein Zimmer zunächst für uns alleine, später wurden noch zwei weitere Wanderer dort einquartiert. Der einzige Nachteil der Hütte ist, dass man zu den Toiletten aus der Hütte raus muss, was uns bei den dort herrschenden Temperaturen und dem Wind dies immer so lange wie möglich rauszögern ließ. Auch hier kam wieder Plastikgeschirr und -besteck zum Einsatz. Abends riss es dann doch etwas auf und der Wetterbericht kündigte auch besseres Wetter für die folgenden Tage an.
 
Beim Aufbruch morgens um halb sieben war es wieder sehr kalt ( -7°C ) und windig. Wir gingen wieder in Richtung N, auf den Lyskamm zu, bevor wir jedoch den vom Felekjoch kommenden Ausläufer erreichten, bogen wir nach rechts NO ab und blieben auf dem westlichen Lysgletscher. Eine Serak Zone umgingen wir in respektvollem Abstand etwas unterhalb des Weges. Auf dem Gletscher hatte ich den Eindruck, in der Arktis zu sein, denn wie ich es schon oft in den Filmen gesehen hatte, wehten auch hier Eiskristalle ständig bis wadenhoch. Es ging gemächlich ansteigend im Bogen aufwärts auf die Eisnase (Naso del Lyskamm) zu. Die Eisnase ist eine Firn-Eis-Flanke und Teil des vom Östlichen Lyskamm herunter ziehenden Grates.
 
Der Weg verläuft steil aufsteigend die Flanke hinauf. Anfangs hätte man im Falle eines Ausrutschens noch den Lysgletscher um zum Halten zu kommen, im weiteren Aufstieg jedoch würde man jedoch 1.500 Hm steil nach unten fallen. Es war also größte Vorsicht geboten. Leider machte sich bei einem aus der Gruppe eine Höhenkrankheit bemerkbar, er hatte in den vergangenen Nächten kaum geschlafen, was dazu führte, dass wir des Öfteren auf der steilen Flanke stehen bleiben mussten um Pause zu machen. Er tat uns leid, aber es blieb uns nichts anderes mehr übrig, als weiter in Richtung Hütte zu gehen. Nach einiger Zeit erreichten wir den Eisnasen Pass (4100 m, insges. 4 Std.) und rasteten erstmal ausgiebig.
 
Der weitere Weg führte uns in einer S-förmigen Bewegung zu dem südlichen Rand der Eisnase. Der Abstieg direkt auf den Gletscher sah uns zu steil aus und war außerdem mit einer mächtigen Randkluft gespickt. Wir folgten daher dem bezeichneten Weg und gingen ein steiles Blockgelände abwärts. Nun blieb nur noch ein letzter kleiner Anstieg auf dem östlichen Lysgletscher in Richtung Vincent Pyramide. Der höhenkranke Kamerad musste sich dabei noch einmal sehr anstrengen. Dann aber hatte er, und natürlich auch wir, es für diesen Tag geschafft, denn nun ging es nur noch auf dem Garstele Gletscher abwärts. Dabei verlief der Weg in zwei Steilstufen abwärts vorbei an den eindrucksvollen, blau schimmernden bis 50 m hohen Eis Abbrüchen der W-Wand der Vincent Pyramide. Seit unserem Start am Morgen hatten sich die Wolken nicht merklich aufgelöst. Zwar wurde es nun etwas wärmer, aber die Wolken wurden ehr noch dichter. Schließlich wurde eine Spaltenzone noch S-förmig umgangen und wir erreichten den flacheren Teil des Gletschers. Von hier aus waren es noch ca. 500 m bis zum Rifugio Gnifetti. Die Hütte ist wie ein Tibetanisches Kloster auf einen Grat im Östlichen Lysgletscher "geklebt". Wir machten aber keine Pause an der Hütte, sondern gingen unmittelbar weiter abwärts zum Rifugio Mantova (priv. 3498 m), das wir nach insgesamt acht Stunden erreichten.
 
Wir bekamen wieder ein schönes Lager. Leider war die Wasserleitung der Hütte eingefroren, so dass es weder für die Toilette noch fürs waschen Wasser gab. Immerhin hatte die Küche Wasser und zauberte uns wieder das übliche italienische Mehr Gänge Menü. Die kleine private Hütte war meist in Wolken. Es blieb kalt und windig und am Abend graupelte es sogar kräftig. Abends beschloss der höhenkranke und ein anderer Kamerad aus der Gruppe die Aufstiege der nächsten Tage nicht mit machen zu wollen. Wir überlegten zusammen und vereinbarten uns am Donnerstag im Rifugio Gabiet oberhalb von Gressoney wieder zu treffen.
 
Es sollte ein wunderschöner Tag werden. Zwar war es morgens immer noch sehr kalt, aber der Himmel war völlig wolkenlos. Wir beschlossen daher die "große" Runde zu machen, wer weiß was der nächste Tag bringen würde. Da wir wegen der kommenden großen Wanderer Gruppe keine zwei Nächte auf der Mantova Hütte bleiben konnten, zogen wir um in die Gnifetti Hütte. Schlauer geworden hatten wir die restlichen Hütten bereits von der Q. Sella aus gebucht. Beim Aufstieg ließen wir daher alles was wir nicht wirklich brauchten im Schuhraum der Gnifetti Hütte. So erleichtert konnte der Aufstieg beginnen.
 

 
Das hatten aber auch schon einige andere vor: den Garstele Gletscher aufwärts zogen sich wahre Karawanen aus Seilschaften. Wir stiegen die beiden Steilstufen im Schatten aufwärts und standen eine Stunde später wieder auf dem "Autobahnkreuz" zwischen Vincentpyramide und Balmenhorn. Das nannten wir so, weil sich hier alle Spuren zu Auf-/Abstieg sammelten und andererseits in die verschiedenen Richtungen dort oben verzweigten und die Spur abwärts gut 20 m breit war. Nach einer kurzen Pause ging's weiter zunächst merklich ansteigend um da Balmenhorn herum und dann weniger steil ebenfalls um den W-Grat der Ludwigshöhe herum.
 
Nun öffnete sich der Blick hinüber nach W zum Matterhorn, Dente Blance, Zinalrothorn und Zermatt und nach N zur Dufort- und Zumsteinspitze, Signalkuppe mit Cap. Margherita, unbeschreiblich. Der weitere Weg führte uns ohne Höhenverlust entlang der NW-Wand der Parrotspize. Dabei bemerkten wir frische ausgebrochenen Seraks die über den Weg hinabgestürzt waren. Allerdings war dies nicht vom gleichen Tag, weshalb wir auf dem Weg blieben, wenn wir die Stelle auch deutlich schneller passierten. Unterhalb des Sesia Passes wandte sich der Weg nach links (NW) und begann dann zunächst sanft anzusteigen. Zum Gnifetti Pass hin galt es dann noch mal eine steile Stufe zu überwinden. Wir beschlossen zunächst die Zumsteinspitze zu besteigen. Dazu ging's unschwer, teilweise aber etwas windig, deren westlichen Firngrat aufwärts. Die letzten 10 Hm waren noch einmal eine leichte, wenn auch sehr steile Blockkletterei und wir standen auf dem für mich bis dato höchsten Gipfel.
 

 
Die Zumsteinspitze ist nach dem Mont Blanc, Duforspitze und Nordend der viert höchste Alpengipfel. Oben ist die Aussicht unbeschreiblich. Im NW und N wird sie leider durch die Duforspitze eingschränkt. Nach NO und O allerdings schaut man hinüber zu den Eisriesen der Saaser Alpen und in die Monte Rosa Ostwand, die größte Wand in den Alpen: 2400 m hoch und 10km breit. Im SO gegenüber steht die fast gleich hohe Signalkuppe und im S die 300 m niedrigere Parrot Spitze. Im W gegenüber zu Greifen nah der Lyskamm mit seinen scharfen Firngraten und den mächtigen Eisbrüchen in den NO-Wänden.
 
Wegen des kalten Windes blieben wir dort oben allerdings nicht lang. Der Abstieg verlief zum Gnifetti Pass auf dem Aufstiegsweg, dann leicht ansteigend zur NW-Flake der Signalkuppe. Nun folgte wieder ein beschwerlicher und sehr ausgesetzter Aufstieg über die Firn- / Eisflanke der Signalkuppe hinauf zur höchsten Hütte der Europäischen Alpen, der Rifugio Regina Marghérita (CAI, 4559 m) auf der Signalkuppe. Besonders eindrucksvoll war der Tiefblick vom Balkon auf der Ostseite der Hütte in die Monte Rosa Ostwand. Wir aßen eine Suppe und ruhten uns lange aus. Beim Abstieg trafen wir wieder auf einen Bergführer mit seinen beiden Klienten die wir schon seit der Ayas Hütte immer wieder getroffen hatten. Hier trennten sich unserer Wege nun, da die Gruppe in der Margherita übernachten und am nächsten Tag über die Duforspitze gehen wollte.
 

 
Wir stiegen wieder ab und schließlich etwas auf zum Sesia Pass. Dort ging's nach SW, die Parrotspitze aufwärts. Der Wind war dabei recht stark und wehte uns schmerzhaft Eiskristalle ins Gesicht, weshalb wir auf dem Gipfel gar nicht erst anhielten, sondern direkt weiter den Grat entlang zu Abstieg hin gingen. Dort erwartete uns noch eine Überraschung. Die Flanke die durch wir absteigen wollten hatte keinen richtigen Weg und war teilweise senkrecht. Michael baute oberhalb einen Standplatz mit einer Eisschraube und Markus war der erste Freiwillige, der sich die Wand hinabstürzte. Genau genommen ging er vorsichtig rückwärts von Michael gesichert die Flanke abwärts. Dabei zeigte sich, dass es zwar steil, aber nur weicher Schnee, aber immerhin deutlich über 50 m hoch war. Ich baute beim Runtergehen auf halber Strecke noch einen weiteren Stand mit einem "Toten Mann", um Michael, der als letzter abstieg dabei zu sichern.
 
Nach dieser Aktion, die doch viel Zeit gekostet hatte, verzichteten wir darauf auch noch auf die Ludwigshöhe zu steigen, sondern nachten uns an den Abstieg zur Gnifetti Hütte, vorbei am "Autobahnkreuz" und den Gletscher hinab. Diesmal aber bei deutlich besserem Wetter als am Vortag. Trotzdem war der Gletscher nach wie vor optimal hart. Erst auf dem Plateau vor der Gnifetti Hütte wurde er etwas sulzig. In der Hütte bekamen wir ein Zimmer für uns vier, in das normalerweise bis zu acht Leute untergebracht werden können: 2 mal 3 in dreistöckigen Betten, einer quer vor dem Fenster, und einer oben, quer zwischen den beiden obersten Hochbetten.
 
Bevor wir uns mit den anderen beiden im Rifugio Gabiet treffen wollten, machten wir uns noch mal auf den Weg nach oben, um noch ein paar 4000er "mitzunehmen". Wieder ließen wir alles was wir nicht wirklich brauchten im Schuhraum der Gnifetti Hütte. Es ging abermals den Garstele Gletscher aufwärts, diesmal aber blies uns die ganze Zeit der Sturm entgegen, was den Aufstieg noch mal anstrengender machte. Das gute Wetter hatte auch noch mehr Bergsteiger angelockt und der Lindwurm, der sich nun den Gletscher hinauf wand war noch einmal angewachsen. Auch im Süden hatte sich das Wetter gebessert und die Luft war klarer geworden. Man konnte im S deutlich den Gran Paradiso, im SW das Massiv des Ecrins und im W den Mont Blanc als Riesenklotz erkennen.
 
Eine Stunde später standen wir erneut auf dem "Autobahnkreuz" und wandten uns nach rechts (SO) in Richtung Vincent Pass, den wir mit leichtem Anstieg schnell erreichten. Nun wurde der Weg etwas steiler, die Steigung blieb aber bis ca. 50 Hm unterhalb des Gipfels moderat. Vor allem der starke Wind erreichte uns beim Aufstieg nicht mehr. Erst als wir die kleine Gipfelwächte überschritten, traf es uns mit voller Wucht: Der Wind blies uns fast vom breiten flachen Gipfelplateau und schleuderte uns Eiskristalle ins Gesicht. Netterweise waren meine Kameraden bereit so lange zu warten, bis ich mein Panoramafoto gemacht hatte. Dann verließen wir diesen ungastlichen Ort aber schnell wieder. Der Abstieg zu Pass dauerte, anders als der Aufstieg, nur sieben!! Minuten, wir waren total überrascht, dass es wirklich so schnell gegangen war.
 

 
Das nächste Ziel war das gegenüberliegende Balmenhorn, das eigentlich kein "richtiger 4000er" ist, denn der Höhenunterschied zum Pass des nächsten Gipfels, dem Schwarzhorn ist zu gering. Uns kümmerte das nicht, da wir trotzdem vom Vincentpass aus ca. 100 Hm höchst Wind exponiertem Aufstieg hatten. Auch das hatten wir aber bald geschafft und standen vor dem Aufstieg zum Biv. F. Giordano. Hier gilt es wegen der zurückgegangenen Gletscher einige Meter teils an Fixseilen aufwärts zu klettern. Oben auf dem Balmenhorn steht eine große Christus Statue, die 1955 von Alfredo Bay errichte wurde.
 
Wie wir pausierten hier oben im Lee des Balmenhorns viele Seilschaften, schauten einfach nur in die Runde und genossen die wunderbaren Eindrücke. Nach und nach leerte sich der Platz jedoch, da die meisten noch weiter zur Ludwigshöhe wollten. Schließlich kam noch eine eigenartige vierköpfige Gruppe. Sie hatte zwar Bergausrüstung und Pickel, aber kein Seil! Damit aber nicht genug. Weil se ihnen hier oben wohl zu windig war, setzten sie sich in eine Mulde. Dumm nur, dass diese Mulde die etwas zugewehte tiefe Randkluft des Balmenhorns war. Ich machte sie recht energisch drauf aufmerksam, dass sie zu viert quasi in einer Spalte saßen und als sie mich verstanden, verließen sie diesen Ort auch recht schnell.
 
Um nicht zu unserem Treffen am Rifugio Gabiet zu spät zu kommen und weil es uns einfach zu stürmisch war auch noch die Firnkuppe der Ludwigshöhe zu erklimmen, machten wir uns schließlich an den Abstieg. Wir waren schnell wieder am Rifugio Gnifetti. Immer noch war der Schnee auf dem Gletscher trotze der intensiven Sonnenstrahlung überwiegend fest, wieder nur auf dem Plateau vor der Gnifetti Hütte wurde er etwas sulzig. In der Hütte packten wir unsere restlichen Sachen wieder ein, ebenso wie die Gletscher Ausrüstung, die würden wir für den Abstieg nun nicht mehr benötigen. Nach einer Suppe konnte es losgehen.
 
Zunächst ging's das Schneefeld abwärts auf die Mantova Hütte zu und dann südlich der Hütte den Riegel auf einem guten Weg abwärts. Bevor wir den Indren Gletscher erreichten, galt es noch eine kleine felsige Stufe zu überwinden. Hier gab es den üblichen Stau durch langsame Wanderer. Wir gingen schließlich über den Indren Gletscher, der aber ungefährlich ist auf die Seilbahnstation der Punta Indren zu.
 
Wider Erwarten war sie in Betrieb. Die nutzte uns aber nichts, da die Seilbahn ins Nachbartal nach Alagna führte. Unser Weg führte uns weiter rechts an der Seilbahnstation vorbei über plattige Wege, die wie angelegt aussahen und eine kleine Steilstufe hinunter vor Stolemberg. Diesen galt es teils an Fixseilen zu überwinden und auf der anderen Seite wieder hinab zusteigen. Nun folgte ein mehr oder weniger steiler Abstieg teils über Schneefelder hinab zur Seilbahnstation am Salati Pass. Hier empfingen uns die ersten Halbschuh Touristen seit einer Woche.
 
Willi und ich hatten keine Lust die restlichen 600 Hm zum Rifugio Gabiet abzusteigen und nahmen deshalb die Seilbahn. Michael und Markus aber waren unerschütterlich und ließen es sich nicht nehmen auch noch den Rest abzusteigen. So schwebten wir gemütlich zur Mittelstation.
 
Das Rifugio Gabiet war schnell gefunden und entpuppte sich als schmucke Herberge mit schönen Zweibett Zimmern und warmen Duschen, welch ein Segen nach den Tagen teils ohne Wasser auf den Hütten. Im Haus trafen wir Udo und Rüdiger, die schon zwei Tage hier gewesen waren und uns versicherten, dass auch das Essen in der Gabiet hervorragend sei, was wir am Abend nur absolut bestätigen konnten. Vom nahen Stausee hatte man abends noch mal einen wunderschönen Blick nach Norden auf das Monte Rosa Massiv.
 
Am Morgen gab es ein opulentes Frühstück, wir vermissten nichts. Bald danach ging's steil abwärts durch die Schlucht des Moosbaches hinab nach T.Schaval. Der letzte Teil allerdings verlief wieder auf einer langweiligen Forststrasse. Unten angekommen verkürzten wir uns die 300 Hm Aufstieg nach Sant'. Anna mit der Seilbahn. Oben angekommen folgten wir noch etwas dem Fahrweg hinauf zur Bättforco, aber nur ca. 500 m, dann bogen wir nach links ab, querten einen kleinen Bach begannen den Anstieg zum Rothornpass (Salernoforco).
 
Der Weg war ein schöner, aber steiler Bergweg. Dabei ging es im Zickzack die O-Flanke der Battberges hinauf. In 2500 m Höhe rasteten wir ausgiebig. Da das Wetter immer noch mitspielte war es dort oben einfach wunderschön
 
Wir blickten zurück nach N gegen Das Monte Rosa Massiv, aber auch nach O wo wir den Abstiegsweg des Vortages gut bis hinunter zum Rifugio Gabiet verfolgen konnten, toll. Nun lief der Weg deutlich weniger steil auf den Pass zu. Wir passierten zwei kleine Seen die Teils noch mit Schnee bedeckt waren und stiegen die letzten 30 m zum Pass hinauf.
 
Auf der anderen Seite war der Pass deutlich weniger steil und lief anfangs über einen guten Bergweg hinab. Bald schon folgte aber eine Bergsturzzone mit bis zu 2 m großen Blöcken. Hier war wieder mal balancieren gefragt und es ging steil abwärts. Danach wurde der Weg weniger spektakulär und lief über sanft abfallende Wiesen bis er eine Autobahn ähnliche Skipiste erreichte. Der folgten wir bis der Weg {10} abzweigt und weiter auf schönem Pfad durch den Lärchenwald um den Mt. Cavallo herum verläuft. Bald schon erreichten wir jedoch wieder eine der unvermeidlichen Forststrassen und folgten ihr zwei Kehren weit.
 
Hier verabschiedeten sich Michael und Markus, denn sie wollten noch am selben Tag nach hause fahren. Willi, Rüdiger, Udo und ich gingen aber weiter in Richtung Rifugio. Ferraro. Da wir wieder etwas Höhe gewinnen mussten, ging's erst in einigen Wellen steil die Forststrasse zur Hütte aufwärts. Nach ca. 500 m zweigte aber ein schöner Fußweg ab, querte einen Bach und nach einer letzten steilen Steigung ging's horizontal hinüber zur Hütte. Der Himmel zog sich mehr und mehr zu und am späten Nachmittag schüttete es regelrecht. Uns verdrießte das nicht, denn wir aßen wieder gut am Abend in der Hütte.
 
Für den Tag der Abreise wählten wir anders als am ersten Tag den direkten Abstieg nach St. Jacques. Von der Siedlung Resy aus geht es geradewegs die Wiese hinab und unten an der Weggabelung nach links. Weiter ging's steil hinab, an verschiedenen Gebäuden vorbei. Da der Weg noch nass vom Regen der Nacht war und die Steine des Weges teils sehr abgespeckt waren, mussten wir recht vorsichtig gehen. Trotzdem waren wir nach 20 Minuten im Ort. Nun folgten wir wieder 1½ km der Strasse bis zu dem Parkplatz, wo wir den Wagen abgestellt hatten.
 
Es war noch da und wir konnten die Rucksäcke endlich wieder abnehmen, zogen uns etwas um und wollten losfahren. Doch, Oh Schreck, der Wagen gibt keinen Mucks mehr von sich. Also anschieben. Wir machen mehrere Versuche, dabei haben wir Glück, dass wir bergab nach Champoluc müssen. Aber die Karre will und will nicht anspringen. Und schließlich entscheiden wir uns den Wagen bis in den Ort rollen zu lassen um eine Tankstelle zu suchen. Leider ging's nicht immer bergab, so dass wir immer wieder einige Zeit schieben müssen. Schließlich aber haben wir es geschafft und ein jemand aus der Werkstatt startet der Wagen mit einer Batterie fremd, wir sind wieder glücklich.
 
Bevor wir endgültig nach hause fahren kaufen wir im Aosta Tal noch ein bisschen Proviant, dann ging's wieder über den St. Bernhard und durch die Schweiz nach hause, wo wir am frühen Abend wohlbehalten eintrafen. Es war eine wunderbare Tour.